Unser Mann in Afrika
7. Juli 2008
Seit 2006 arbeitet Arne Perras von Kampala (Uganda) aus für die Süddeutsche Zeitung. Er gehört zu den wenigen Afrika-Korrespondenten, die sich die großen deutschen Tageszeitungen heute noch leisten. Sie tun ihr Möglichstes, um ihren Lesern zumindest die ganz wichtigen Themen, die Afrika bewegen, zu vermitteln. Trotzdem sind sie Einzelkämpfer in einem riesigen Territorium. Und der Kontinent bleibt für die Welt wenigstens teilweise ein unbeschriebenes Blatt.
Perras Aufgabengebiet erstreckt sich von südlich der Sahara bis zum Kap der Guten Hoffnung. Erschwerend kommt hinzu, dass weite Gebiete davon logistisch kaum erschlossen oder Krisenregionen sind. So scheitert manche Berichterstattung aus dem einfachen Grund, dass man schlichtweg nicht an den Ort des Geschehens kommt, bzw. nicht in der erforderlichen Zeit. Und was Konfliktzonen betrifft, sind verlässliche Helfer vor Ort nicht nur die Voraussetzung dafür, dass man sich innerhalb dieser Gebiete bewegen, sondern auch, dass man sie lebend wieder verlassen kann.
Bei der Berichterstattung über Krisen, Bürgerkriege, gewaltsame Vertreibungen geht es Arne Perras vor allem darum, das Wesen der Konflikte zu beleuchten. Welche Rolle spielen dabei beispielsweise ökonomische Interessen – stets ein bedenkenswerter Faktor in Afrika. Und wie stellt sich die internationale Staatengemeinschaft dazu: greift sie ein und mit welchen Mitteln?
Besonders gut kommen die Vereinten Nationen in Perras Urteil nicht weg. Er nennt Krisenregionen wie Darfur, wo eine internationale Intervention eine humanitäre Katastrophe verhindern hätte können bzw. heute zumindest beenden könnte. Warum aber tun die UN nichts angesichts von schätzungsweise 400.000 Toten und 2,5 Millionen Vertriebenen? Dies sei, so Perras, nicht nur auf den mächtigen Paten China, der die Regierung in Khartum stützt, zurückzuführen, sondern auch auf die Unfähigkeit gerade des Westens, eine gemeinsame, einheitliche Strategie für den Sudan zu entwickeln. Und so lange jeder Staat in Bezug auf den Sudan sein eigenes Süppchen kocht, hält Perras eine Lösung für den Konflikt – ganz zu schweigen von einer Linderung der Nöte der Menschen dort – für nicht in Sicht.
Es gibt zwar Beispiele, in denen die Weltgemeinschaft sich auf eine Intervention einigt. Doch auch hier, so Perras düsteres Fazit, verfehle sie entweder ihre Ziele oder schaffe es nicht einmal, vorab Ziele festzulegen. Hier führt er Somalia an, für die UN heute eine „no-go-area“, die auch er als Journalist nur in besonders günstigen Zeitfenstern betreten kann. Und dann lautet seine Interview-Methode „hit-and-run“: Hinfahren, das Auto unterwegs nie verlassen, nie lange an einem Ort verweilen und absolut vertrauenswürdige Helfer dabei haben, die den Weg zurück ins Quartier absichern. Dass dies keine idealen Recherche-Bedingungen sind, versteht sich von selbst. Und als bedauerliche Folge davon wird das Bild über Somalia wohl unscharf bleiben.
Seit 1991 herrscht in Somalia Bürgerkrieg. 1992/93 führten die USA eine von den Vereinten Nationen gestützte Militäraktion durch, die Operation Restore Hope, die aber weder ihre humanitären (Hilfe für die Opfer von Bürgerkrieg und Hungersnot) noch politischen Ziele (u.a. Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung) erreichte. Kritiker unterstellten den USA, vorrangig aus eigenen ökonomischen (Erdölvorräte) oder militärischen Interessen (dauerhafte Errichtung von Militärbasen) zu handeln. Auch wurde der Vorwurf der Parteilichkeit laut.
Erneut griffen die Vereinigten Staaten ein, als die Islamisten Mitte 2006 Mogadischu eroberten. Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung unterstützten sie zeitweilig anti-islamistische Warlords, während die somalische Bevölkerung selbst sich von den Islamisten endlich Frieden erhoffte. Und in der Tat schaffte die Gruppe, die sich als „Union der Islamischen Scharia-Gerichte“ bezeichnet, zumindest ein gewisses Maß an Ordnung. In einem völlig zerstörten Land, wo die Zivilbevölkerung zwischen rivalisierenden Milizen aufgerieben wurde, mag das etwas heißen. Ende 2006 setzte der äthiopische Einmarsch – unter amerikanischer Billigung – dem ein Ende.
Wie also sieht das Ergebnis der jüngsten amerikanischen Interventionen laut Perras aus? Nicht nur war das Eingreifen erfolglos sondern darüber hinaus kontraproduktiv, denn genau in jener Zeit erstarkten die Islamisten. Starke Negativ-Erfahrungen auf beiden Seiten führten dazu, dass bis heute die Fronten verhärtet sind. Die Übergangsregierung in Mogadischu kann sich nur halten, weil sie die Unterstützung der Äthiopier hat. Doch Letztere sind der somalischen Bevölkerung verhasst. Die Weltgemeinschaft vertuscht ihre Ohnmacht, indem sie Afrikaner vorschickt: Eine afrikanische Friedenstruppe (AMISOM) aus Uganda und Burundi soll helfen, Somalia zu stabilisieren. Aber diese sind vor allem mit ihrer eigenen Sicherheit beschäftigt – von Peacekeeping keine Spur, so Arne Perras. Ironischerweise steht am Ende von „Restore Hope“ Hoffnungslosigkeit auf allen Ebenen.
Afrika offenbart die Ohnmacht der Weltgemeinschaft nach wie vor, eine Tendenz, die sich, wie Perras erwartet, in Zukunft noch verstärken wird. Jedoch betreffe das geschilderte Bild des zerrissenen Afrikas nur eine Seite des Kontinents, wo das enorme Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen ihn immer wieder fasziniere. Doch leider liest man über Letzteres nur selten in der Zeitung.